5. Türkei – asiatischer Teil

Wir hatten Asien erreicht. Noch in Istanbul beobachteten wir zwei kleine Kätzchen, die auf unserem geparkten Anhänger herumturnten. An unserem nächsten Nachtplatz an einem großen Restaurant in Düzce, irgendwo zwischen Istanbul und Ankara bemerkten wir, dass die beiden als blinde Passagiere auf dem Anhängerdach mit uns gereist waren. Irgendwann hüpften sie herunter – und mussten sich wohl ein neues Zuhause suchen…

Blinde Passagiere

Am folgenden Tag erreichten wir Ankara. Dank der App ‚Park4Night‘ fanden wir einen Übernachtungsplatz neben dem Lunapark.
Gleich am ersten Abend wanderten wir hinauf zur Zitadelle. Dort bot sich uns ein beeindruckender Blick auf das abendliche Ankara.

Zitadelle von Ankara
Abendliches Ankara – in der Mitte die Kocatepe Moschee
Kocatepe Moschee – Ankaras größte Moschee (Platz für 24.000 Personen),
1967–1987 im klassischen osmanischen Stil erbaut.

Nachdem wir von unserem abendlichen Spaziergang wieder am Auto angekommen waren setzte ich mich bei geöffneter Seitenklappe an den Flügel, um noch etwas zu üben. Wir hatten das Gefährt so an der Seite geparkt, dass gegenüber nur noch ein Gehsteig und eine Mauer war. Kurz nachdem ich begonnen hatte, erschienen zwei uniformierte Männer von der Sicherheit, um zu sehen, was da los ist. Sie bewachen den Parkplatz rund um die Uhr. Kurz darauf verschwanden sie wieder. Einige Zeit später tauchten sie nochmals auf, und ich befürchtete schon, ich müsste aufhören zu spielen. Doch – wir waren ja in der Türkei! Sie waren um mein Wohlbefinden besorgt, denn es war ziemlich kalt, und brachten mir deshalb einen Becher heiße Suppe…

Heiße Suppe von den Parkplatzwächtern

Wiederum einige Zeit später bemerkte ich, dass plötzlich viele ziemlich gut gekleidete Leute an unserem mobilen Zuhause vorbei liefen. Ein junger Mann blieb am Anhänger stehen und schaute gebannt darauf. Ich sprach ihn an und er meinte, er und seine Familie würden sich sehr für Musik interessieren und gerade aus einem Konzert kommen. In diesem Moment kamen auch seine Eltern und Geschwister dazu. Der Vater erklärte mir, dass wir genau zwischen zwei bedeutenden Konzerthallen stehen würden. Es war, wie wenn die Münchener Philharmonie und der Herkulessaal nebeneinander lägen – und wir standen mittendrin. Jeden Abend gab es Konzerte, und die Leute liefen danach über ‚unseren‘ Parkplatz.

Fasziniert von unserer Geschichte wollten unsere neuen türkischen Bekannten unbedingt ein zweites Konzert an diesem Abend hören. Also gut…

Wir haben selten eine so nette Familie kennengelernt…

Am nächsten Tag machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Es gibt in Ankara nicht so viele kulturellen Sehenswürdigkeiten, dafür ist die orientale Exotik einiger Plätze und Märkte sehens- und erlebenswert. Und manch ein Anblick ist für empfindsame Gemüter erst mal gewöhnungsbedürftig…

Nach unserer ersten Nacht auf dem sauteuren Parkplatz in Istanbul wechselten wir auf einen günstigeren direkt am Bosporus. Dort lernten wir das junge Ehepaar Göktürk und Sinem kennen, die für ein paar Tage mit ihrem alten T2 VW-Bus hier Urlaub machten. Sie stammten aus Ankara, wo Göktürk an der Universität Juniorprofessor für Landwirtschaft war – und Sinem seine Studentin. Wie wir mittlerweile erfahren haben leben sie derzeit für einige Monate in den USA.

Wir hatten mit den beiden verabredet, uns bei ihnen zu melden, wenn wir in Ankara sind. Dies taten wir heute und trafen uns mit ihnen, um den Sonnenuntergang über Ankara von der Zitadelle aus zu beobachten. Der sollte nach deren Empfehlung dort ganz besonders beeindruckend sein.

Blick von der Zitadelle auf das ‚alte Ankara‘
Die vielen roten Dächer im Vordergrund sind Schwarzbauten, die im Schutz der nächtlichen Dunkelheit errichtet und am folgenden Tag sofort bewohnt wurden, denn bewohnte Gebäude durften nicht mehr abgerissen werden.
Sonnenuntergang über Ankara

Göktürk und Sinem sind große Liebhaber alter VWs. Er hat seinen hellblauen Bus – und sie einen schönen roten, aber ziemlich altersschwachen, 45 Jahre alten Käfer, mit dem sie uns denn auch von unserem Auto abholten. Sie hatten noch einen Freund mitgebracht, und so stopften wir uns zu fünft in den klapprigen Käfer. Göktürk saß am Steuer, der Freund daneben, Sinem, Conny und ich machten es uns hinten bequem. Und los ging es. Die Federung konnte das Gesamtgewicht nicht mehr so ganz stemmen. Es war ein Erlebnis…

Fahrt zu fünft im alten Käfer

Auf Empfehlung Göktürks gingen wir noch gemeinsam in ihr Lieblingsrestaurant, um Lahmachun zu essen, eine Art türkische Pizza…

Anschließend brachten uns unsere neuen türkischen Freunde zurück zu unserem ‚Zuhause‘. Natürlich wollten sie endlich auch den Anhänger samt Musik vorgeführt bekommen. In Istanbul war dazu keine Gelegenheit gewesen, denn wir hatten die beiden erst am Morgen unserer Abreise von dort kennengelernt. Kaum hatten wir zu spielen begonnen gesellte sich noch eine reisefreudige Familie aus Rußland zu uns, die auch mit einem bewohnbaren Fahrzeug unterwegs waren. Natürlich mussten sich hernach alle auf unserem rollenden Gästebuch ‚verewigen‘. Aber auch wir durften uns revanchieren…

Kaum hatten sich unsere Besucher verabschiedet, strömten wieder Konzertbesucher an uns vorbei. Es kam wie es kommen musste: Wir mussten nochmal spielen, und unser – diesmal ausschließlich türkisches – Publikum trug sich ins Gästebuch ein…

Für den nächsten Tag hatten Göktürk und Sinem uns zugesagt, mit uns einen neuen Reifen als Ersatzrad für den Anhänger kaufen zu gehen, den wir ja in Istanbul geschrottet hatten. Gesagt, getan, holten sie uns während Göktürks Mittagspause mit dem hellblauen T2 VW-Bus ab.

Eine Fahrt mit Göktürks Bulli

Nachdem der richtige Reifen gefunden war, führten sie uns in der Stunde, die die Montage auf die Felge dauerte, in ein großes Kaufhaus zum Essen aus. Danach ging es dann mit dem kompletten Rad zurück zu unserer Reisehütte. Wir sind den Beiden für die Aktion sehr dankbar, denn das hätten wir in Ankara allein wohl nicht geschafft. Nachdem das Rad ausgeladen war, sagten wir „Goodbye“.

Wir platzierten und verzurrten das neue Ersatzrad auf dem Anhängerdach und fuhren los in Richtung Derinkuyu in Kappadokien, eine Region in Zentralanatolien, wo es eine der größten unterirdischen Städte gibt. Auf der Fahrt dorthin ‚knackten‘ wir die 5.000 Kilometer-Marke…

Eine wunderschöne Landschaft zog an uns vorbei:

In Aksaray machten wir Kaffeepause. Auf der Straße dort stand wieder mal eine kleine Überraschung:

ADAC in der Türkei?!?

In Derinkuyu angekommen erkundeten wir sogleich die unterirdische Stadt:

Unterirdische Stadt von Derinkuyu

Da wir noch Zeit hatten fuhren wir gleich noch nach Göreme im gleichnamigen Nationalpark, der auch zu Kappadokien gehört. Vor unserer Reise, hatten wir noch nie etwas davon gehört. Doch in Griechenland bei den Meteoraklöstern trafen wir ein älteres Ehepaar, er Türke, sie Holländerin. Sie lebt mit ihrem Mann in der Türkei und spricht gut deutsch. Als wir ihr von unseren Reiseplänen erzählt hatten, erstellte sie eine ganze Liste von Orten in der Türkei – und auch in Georgien -, die sie uns empfehlen würde. Einer davon war Kappadokien. Nachdem uns diese Region später noch öfter angeraten wurde, entschlossen wir uns, dorthin zu fahren. Und es hat sich gelohnt!

Aber erst mal der Reihe nach: Auf einem Busparkplatz beim ‚Open-Air-Museum‘ fanden wir unseren Übernachtungsplatz.

Wir hatten in Erfahrung gebracht, dass, wenn das Wetter mitspielt, ganz früh morgens – noch vor Sonnenaufgang – Heißluftballone mit Touristen untendran aufsteigen, um den Sonnenaufgang über der bizarren Landschaft zu bewundern. Es sei, so hieß es, ein beeindruckendes pittoreskes Bild, den Aufstieg der Ballone schon allein von unten zu sehen.

Na super, um fünf Uhr dreißig aufstehen – das ist doch genau meine Zeit! Conny feixte schon… Und kalt war’s! Minus drei Grad! Es würden möglicherweise aufgrund von herrschenden Windverhältnissen an diesem Morgen gar keine Heißluftballone starten, wurde uns am Abend zuvor auch noch mitgegeben. Also aufstehen auf eigenes Risiko…

Aber dann:

Als wir nach diesem Schauspiel zurück zu unserem Auto kamen, waren wir bereits ein bisschen eingeparkt. Kannst du unser Auto entdecken?

Etwas später an diesem Tag machten wir uns auf, das ‚Open-Air‘-Museum zu besichtigen:

Am nächsten Tag machten wir uns auf zum Schwarzen Meer. Einige Impressionen der mehrere hundert Kilometer langen Fahrt haben wir hier zusammengestellt:

In Trabzon aßen wir wieder in einem großen Restaurant zu Abend. Danach wurde uns noch der unvermeidliche türkische Tee angeboten. Unser netter junger Kellner fragte uns, ob der Tee stark oder weniger stark sein sollte. Er selbst käme nämlich aus dem Iran, und dort würde der Tee üblicherweise schwächer getrunken als in der Türkei. Beim Wort „Iran“ läuteten bei uns sofort alle Glocken. Wir baten ihn, sich zu uns zu setzen und etwas über seine Heimat zu erzählen. Ein paar Minuten später hatten wir die Nummer seiner Mutter in Teheran mit der Zusicherung, wir würden somit in Teheran eine Unterkunft in ihrer Wohnung und überhaupt im Iran keine Schwierigkeiten haben. Außerdem ‚mussten‘ wir mindestens diese Nacht bei ihm, seiner Freundin und seinem Onkel in der Wohnung in Trabzon übernachten. Seine Freundin kam auch aus dem Iran, genauer: aus Shiraz, und die beiden hatten sich in Trabzon kennengelernt. Für beide war die Türkei das ‚Sprungbrett‘, um nach Europa auswandern zu können. Sie wollten beide nach England. Sie ist inzwischen bereits dort, er muss noch etwas sparen. Die Nacht verbrachten wir im Bett, während die Beiden im anderen Raum auf dem Boden schliefen. Das ist typische iranische Gastfreundschaft…

Am nächsten Tag luden wir zum Dank unsere neuen jungen Freunde Afshin und Lale zu einem gemeinsamen Ausflug zum Kloster Sumela ein. Das Kloster ist an eine Felswand gebaut und eine bekannte Sehenswürdigkeit. Die fünfzig Kilometer lange Fahrt dorthin war schön, aber das Kloster war Baustelle, völlig eingerüstet und nicht von innen zu besichtigen. Ein ziemlich enttäuschender Reinfall. Zumal man vom Hauptparkplatz mit einem Shuttlebus hinfahren musste, wenn man nicht mehrere Stunden wandern wollte, dort auch bereits das Ticket zum normalen Preis kaufen musste, aber nicht darüber informiert wurde, dass man das Kloster nicht besichtigen, sondern nur von außen den eingerüsteten Innenhof sehen konnte.

Zurück in Trabzon bat ich Lale, mir die inoffizielle, aber populärere Nationalhymne vorzusingen. Bei der Vorbereitung auf die Reise hatte ich in Erfahrung gebracht, dass es im Iran zwei Hymnen gibt. Ich hatte ja extra drei Notenbücher mit den meisten Nationalhymnen der Welt mitgenommen, aber darin fand sich nur die offizielle Version. Im Internet hatte ich Noten eines anderen Liedes gefunden, das als inoffizielle Hymne bezeichnet wurde, aber es war nicht wirklich klar. Was wir dann geboten bekamen, war an Charme kaum zu überbieten. Mitten auf der Straße vor ihrer Wohnung, wo wir das Auto geparkt hatten, sang Lale uns ohne Scheu und Allüren die sogenannte Herzenshymne der Iraner vor. Sie war einfach entzückend! Übrigens bekamen wir von ihr die Nummer ihrer Schwester in Shiraz, bei der wir dann tatsächlich auch übernachtet haben…

Lale singt…

Nachdem die jungen Iraner uns am zweiten Abend bei sich zuhause bekocht und wir ihnen zum Dank noch zwei unserer ‚One. World. Wing.‘-T-Shirts geschenkt hatten, sagten wir ‚Good Bye‘ und fuhren noch ein Stück durch die Nacht in Richtung Georgien.

In Rize suchten wir am nächsten Morgen ein Café mit Parkplatz für unser Gespann, um dort zu frühstücken. Ich scherzte über diese gewünschte Kombination, denn nach Parkplatz sah es in Rize überhaupt nicht aus. Aber – doch, wir fanden in der Nähe der Uniklinik ein hübsches Café mit einer Glasfront, das einen weiten Blick über das Schwarze Meer bot.

Direkt davor war nicht nur ein ausreichend großer Parkplatz, nein, kurz nachdem wir bestellt hatten, hörten wir vertraute Klänge aus den Lautsprechern des Cafés. Der Wirt hatte unsere Internetadresse dem Anhänger entnommen, unsere Website geöffnet und unsere Konzertvideos per Bluetooth übertragen. Es war total lustig, denn es waren unter anderem Weihnachtslieder, die ich vor längerer Zeit mit zwei Musikerkollegen aufgenommen hatte.
Natürlich interessierte sich Hassan, der Wirt, brennend für das Innenleben unseres Anhängers, und natürlich musste ich ihm etwas vorspielen…

Kurzer Ausschnitt…

Nach diesem lustigen und erlebnisreichen Frühstück brachen wir nun endgültig zur georgischen Grenze auf. Aber erst mal hieß es, die Ausreise aus der Türkei hinter sich zu bringen…

Ausreise aus der Türkei

Von unseren Erlebnissen aus Georgien und anschließend Aserbaidschan berichten wir im nächsten Beitrag.

Komm doch einfach mit…

1 Kommentar zu „5. Türkei – asiatischer Teil

  1. Hi ihr zwei,
    Das sind wieder tolle Eindrücke und Bilder! Echt mega, ein bisschen weite Welt hier bei uns gerade jetzt zu der schweren Zeit der Ausgangsbeschränkung!
    Ich hoffe ihr zwei seid weiterhin gesund und könnt bald eure Reise weiterführen!

    Ganz liebe Grüße
    Yvonne und Familie

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